Ich nickte und war erschrocken über mich selbst. Er wollte mir nur ein paar Arbeitsblätter bringen und wir hatten eine dreivirtel Stunde totgeschlagen. Ich begleitete Nick noch zur Haustür wo ich mich dann nochmal für die Arbeitsblätter bedankte. Irgendwie schien der Abschied so brüsk und das schien auch Nick zu merken weswegen er mir seine Hand auf den Kopf legte und meine Haare verwuschelte und in dem Moment kamen Nick und ich mir vor wie Geschwister, er der große Bruder und ich die kleine Schwester. Doch das war auch nur für eine Sekunde so. Ich starrte 'sauer und schmollend' zu ihm hoch, doch er grinste nur und stieg in seinen Toyota in dem er auch im nächsten Moment weg fuhr.
----------------------Switch einen Monat weiter zu Halloween [Elenas Eltern wurden Anfang Oktober begraben, wir wollten das jetzt nicht zu genau beschreiben]------------------------------
Ich saß auf dem Dachboden auf dem Boden, vor dem Schaukelstuhl. Durch die Glasfront sah ich die ersten Kinder schon herum laufen, deshalb hatte ich das Licht in unserem Haus ausgemacht um alles so wirken zu lassen als wäre niemand da. Judy und Robert waren auf dem Halloweenfeuer am Rande der Stadt das hier anscheinend jährlich statt fand. Vor ungefähr 3 Wochen hatte ich eine alte Gitarre von Robert hier oben gefunden und ihn gefragt ob ich sie nutzen dürfte. Ein Stimmgerät und ein Capo hatte ich mir letztens noch gekauft und hier saß ich nun mit ihr.
"Your time has already come and I don't know why
The last thing that I had heard
you were doin' just fine
It seems like just yesterday
I was laughing with you
Playing games at Grandma's house
well you taught me well, didn't you?
I hope I'm just like you
Do they have radios in heaven?
I hope they do
'Cause they're playing my song on the radio
And I'm singing it to you
You left before I had a chance to say goodbye
But that's the way life usually is
it just passes you by
But you can't hold on to regrets and you can't look back
So I'll just be thankful for the times that I had with you
I hope I'm just like you
Do they have radios in heaven?
I hope they do
'Cause they're playing my song on the radio
And I'm singing it to you
If they don't have radios in heaven
here's what I'll do
I can bring my guitar when my time is up and I'll play it for you"
Ich sang tatsächlich wieder. Meine Finger spielten mit den Saiten während meine Hand sie anschlug. Dieser Song war von de Plain white T's und ich hatte ihn Martje gesungen, auch an der Beerdigung...
Die Beerdigung war so abgelaufen wie geplant, der Grabstein war so hergerichtet worden wie ich es beschrieben hatte und Mom, Dad und Martje lagen nun in einem Familiengrab. Ich hatte Nick eigentlich einladen wollen, doch ich ließ es bleiben, immerhin würde er mich wieder weinen sehen, er würde zu einem traurigen Anlass erscheinen. Ja also hatte ich es nicht getan aber ich hatte später als die anderen beim Leichenschmaus waren (Wisst ihr wie schwer es ist seine Familie 'Leichen' zu nennen? Wenn ich nur an dieses Wort denke wird mir kalt und schlecht) war ich bei Grab geblieben und mich davor nieder gekniet. Ich hatte kurz gebetet und schließlich als ich allein unter der Linde bei ihnen saß auch von Nick erzählt, das er eine der wenigen Personen war die über mein Schicksal bescheid wussten. Ja, vielleicht war es komisch mit Toten zu reden aber ich fand es wichtig wenigstens kurz in Gedanken bei Nick zu sein, immerhin war er mir im letzten Monat sehr ans Herz gewachsen und wir waren so etwas wie Freunde. Nur irgendwie anders, verbundener aber auch fremder. Dann hatte ich auch dieses Lied gesummt und mir kamen die Tränen. Alles war so wie ich wollte, ich hatte wirklich Abschied genommen aber dennoch war es so Weltfremd für mich. Später hatte ich Nick auch von der Beerdigung erzählt.
Und heute saß ich hier, sang das Lied und mir kamen keine tränen. Heute war ein guter Tag irgendwie spürte ich das Martje, Mom und Dad bei mir waren, konnte aber natürlich auch Einbildung sein. Von Robert und Judy hatte ich die Erlaubnis bekommen heute Hinaus zu gehen, ich sollte mich aber noch vor dem Morgengrauen blicken lasse hatte Robert grinsend gesagt und Judy hatte ihn korrigiert. 'Schick uns eine SMS damit wir wissen wo du bist und wie lange du weg bleibst ja? Viel Spaß Elena...' Und eben war mir der spontane Einfall gekommen Nick zu besuchen. An Halloween würde er sicherlich zu Hause sein und wenn ich störte könnte ich immer noch gehen. Also legte ich die Gitarre beiseite, kämmte mir nochmal durch die Haare, schnappte mir einen dünnen Schal, meine Mütze und die Herbstjacke. Und natürlich die Autoschlüssel denn ich wollte ja nicht zu Fuß laufen. Auf dem Weg zu Nick sah ich vereinzelt immer wieder Kinder die sich als Gespenster, Vampire, Hexen oder sonst etwas verkleidet hatten und musste Lächeln. Ja, früher hatte ich das auch gemacht und dann hatte ich immer um Süßigkeiten gebettelt. Ich hielt mit Alice in einer Nebenstraße, nicht all zu weit entfernt von Nicks Haus, dennoch musste ich ein paar Meter laufen. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen als ich die Klingel drückte auf der 'Winchester' stand. Bisher war ich nur 2 Mal bei Nick gewesen, und da nur in seinem Zimmer und im Flur.